Aut idem-Regelung: Transplantationsmediziner warnen vor Rückschritt in der Therapie von Abstoßungsreaktionen

Organtransplantationen gehören zu den aufsehenerregendsten Maßnahmen in der modernen Medizin, da sie unmittelbar lebensrettend sind. Zwar zählen sie zu den kostenintensiven Maßnahmen, erweisen sich beim näheren Hinsehen jedoch als günstiger als andere Behandlungsverfahren. So hilft zum Beispiel eine Nierentransplantation, Kosten für eine weitaus teurere Dialysebehandlung einzusparen - und das bei erheblich verbesserter Lebensqualität. Dennoch macht der Rotstift im Gesundheitswesen auch vor der Transplantationsmedizin nicht halt. Ist es sinnvoll, kostengünstigere Nachahmerpräparate (Generika) zur Verhinderung von Abstoßungsreaktionen zu bevorzugen, oder setzt man damit eher die erreichten Erfolge aufs Spiel? Dieser Frage gingen jetzt Transplantationsmediziner und Pharmakologen auf einer Pressekonferenz in Nürnberg nach.

In Deutschland leben mittlerweile etwa 25.000 Menschen mit einem fremden Organ. Das bedeutet, dass in einer Stadt mit 100.000 Einwohnern mehr als 30 Transplantierte leben. Viele haben ihr Transplantat schon mehrere Jahre. Entscheidend für die lange Überlebenszeit sind die Fortschritte in der Transplantationschirurgie und vor allem in der medikamentösen Langzeitbetreuung der Organempfänger, die eine Abstoßung des Spenderorgans verhindert. Während vor 20 Jahren noch die durchschnittliche Überlebenszeit eines transplantierten Organs fünf Jahre betrug, ist die Funktionsdauer heute im Durchschnitt auf über zehn Jahre angestiegen.

Prof. Dr. Walter Land, München, einer der Pioniere auf dem Gebiet der Transplantationschirurgie, betonte, dass die immunsuppressive Therapie von Organempfängern einer Gratwanderung gleichkomme. Auf der einen Seite gelte es, Abwehrreaktionen des Immunsystems gegen Fremdeiweiße des Spenderorgans zu unterdrücken. Auf der anderen Seite dürfe die Immunsuppression aber nicht soweit gehen, dass sich schwere Viruserkrankungen und Krebsleiden häufen. Als Immunsuppresivum für das heute die besten Langzeiterfahrungen vorliegen, nannte Land den Wirkstoff Ciclosporin. Nach 20 Jahren breitem Einsatz in der Transplantationsmedizin lasse sich dokumentieren, dass die Rate der Neuentwicklung von Tumoren verschwindend gering blieb und dass die Gefahr schwerer Viruserkrankungen weitgehend verhindert werden konnte.

Ein weiteres Problem in der Langzeitbetreuung von Transplantatempfängern konnte inzwischen auch gelöst werden: Durch eine neue Zubereitungsform des Medikaments in einer Mikroemulsionslösung konnte Ciclosporin in seiner Bioverfügbarkeit entscheidend verbessert werden. Das bedeutet nach Ausführungen von Prof. Dr. Karl Uwe Petersen, Aachen, dass der Wirkstoff besser im Blut ankommt und individuelle Wirkschwankungen, die beim einzelnen Patienten etwa durch Nahrungsaufnahme oder Gallefluss ausgelöst werden können, auf ein Viertel reduziert werden konnten. Die Rate akuter Abstoßungsreaktionen ließ sich somit auf die Hälfte bei Nierentransplantationen und auf ein Drittel bis ein Viertel bei Lebertransplantationen absenken, berichtete der Pharmakologe und versäumte darüber nicht, darauf hinzuweisen, dass eine Abstoßungskrise allein noch nicht das Ende eines Spenderorgans bedeuten müsse. Problematisch vor diesem Hintergrund sei jedoch der Einsatz von Generika bei einem solch dosiskritischen Wirkstoff wie Ciclosporin, da die Nachahmerpräparate nicht über das verbesserte Wirkprofil der neuen Zubereitungsform verfügten und eher mit dem Vorläuferpräparat vergleichbar seien.

Die Rolle der schlechteren Bioverfügbarkeit der Ciclosporin-Generika verdeutlichte Prof. Dr. Dietmar Abendroth, Ulm, mit neueren Studiendaten, die zeigten, dass die Überlebensrate von Spendernieren unter Generikaeinsatz bereits nach einem Jahr zehn Prozent schlechter sei als unter der optimalen Immunsuppression mit Ciclosporin in Mikroemulsionslösung. Der Transplantationschirurg verwies außerdem darauf, dass es ein Trugschluss sei, mit Generika auf diesem Gebiet Kosten einsparen zu können. So rechnete er vor, dass der scheinbare Preisvorteil der Generika allein durch eine Dosisanpassung aufgebraucht werde. Mehrkosten durch eine erforderliche strengere Überwachung unter einer Generika-Langzeitanwendung sprächen ebenfalls gegen einen kurzsichtigen Einsatz vermeintlich billigerer Medikamente in diesem sensiblen Bereich der Medizin.

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