Borreliose-Risiko im Frühjahr - Zecken wachen auf

Die Erkrankung ist anfangs zwar leicht zu behandeln, aber oft schwer zu erkennen. Die Symptome können einem riesigen Krankheitsspektrum ähneln, von Arthritis und Bandscheibenvorfall bis hin zu Multipler Sklerose und Parkinson. Jedes Jahr erkranken bundesweit 60.000 bis 100.000 Menschen an Borreliose. Die Infektionskrankheit wird durch Zecken übertragen und ist in ganz Deutschland verbreitet.

Mit dem Frühjahr erwachen auch die Zecken zu neuem Leben. Wenn die Bodentemperatur zehn Grad Celsius übersteigt, kommen die Tiere aus der Erde und lauern auf Gräsern oder Büschen auf Beute. Gefürchtet sind die Blutsauger vor allem als Krankheitsüberträger: Mit der Viruserkrankung Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) infizieren sich in Deutschland jährlich etwa 250 Menschen. Wesentlich häufiger aber ist die Lyme-Borreliose, für die es weder einen Impfschutz, noch ein standardisiertes Nachweisverfahren gibt.

Benannt ist die Krankheit nach den verursachenden Borrelien-Bakterien und dem Ort Lyme im US-Staat Connecticut, wo sie 1976 erstmals beschrieben wurde. Der Prozentsatz der mit Borrelien infizierten Zecken hängt von Region sowie vom Entwicklungsstadium der Tiere und davon abhängig der Anzahl früherer Wirte ab.

Bei einer Stichprobe im Englischen Garten in München fanden Forscher die Bakterien bei etwa einem Prozent der Larven, zehn Prozent der Nymphen und rund 20 Prozent der ausgewachsenen Zecken, wie Bettina Wilske, Leiterin des Nationalen Referenzzentrums, berichtet.

Die Bakterien leben im Magen-Darm-Trakt der Tiere. Daher infiziert sich ein Mensch nicht unbedingt direkt nach einem Zeckenstich, sondern vermutlich erst Stunden später. "Je länger die Zecke saugt, desto größer wird das Risiko", betont Ute Fischer, Sprecherin des Borreliose Bundes Deutschland. Nach einer Infektion verlaufen vermutlich mehr als 90 Prozent der Fälle symptomfrei. Typischstes Anzeichen einer Borrelien-Infektion ist ein kreisförmiger roter Fleck um die Stichstelle, die so genannte Wanderröte. In vielen Fällen bleibt dieses Warnsignal aber aus. Dann breiten sich die Borrelien unbemerkt über Blut und Lymphe im Körper aus.

Bis dann erste Krankheitszeichen auftreten, können Wochen oder Monate, manchmal sogar Jahre vergehen. Die Symptome können bei jedem Patienten anders aussehen. "Es gibt an Symptomen fast nichts, was es nicht gibt", so Fischer. Oft machen sich zunächst Grippebeschwerden bemerkbar, häufig gefolgt von arthritischen Gelenkschmerzen, etwa am Knie. Setzen sich die Borrelien im Gehirn fest, kann die folgende Neuroborreliose Entzündungen der Hirnhaut und der Hirnsubstanz hervorrufen.

Gerade weil die Symptome verschiedensten Krankheiten ähneln, haben viele Ärzte Probleme mit der richtigen Diagnose. Zudem gibt es bislang kein standardisiertes Testverfahren. Laut Fischer sind 30 Prozent der Labore nicht in der Lage, die Krankheit zuverlässig nachzuweisen. Daher ist ein negativer Laborbefund kein Ausschlusskriterium für Borreliose, umgekehrt beweist aber auch das Auftreten von Antikörpern vielleicht eine frühere Infektion, aber nicht unbedingt eine bestehende Erkrankung. Wird die Krankheit frühzeitig erkannt, bringen Antibiotika zuverlässig Heilung. Mit zunehmender Dauer der Erkrankung sinkt jedoch die Genesungschance.

In keinem Fall Zecken mit Öl entfernen

Für besonders wichtig hält Wilske vorbeugende Maßnahmen. Spaziergänger sollten sich nach Ausflügen unbedingt auf Zecken absuchen und Tiere möglichst schnell entfernen. Grundsätzlich sei dabei zu empfehlen, die Blutsauger mit einer spitzen Pinzette möglichst dicht an der Haut zu packen. Das Tier darf dabei nicht gequetscht werden, um den Darminhalt und damit die Borrelien nicht in die Wunde zu drücken. Geradezu gefährlich ist das oftmals empfohlene Hausmittel, die Zecken mit einem Tropfen Öl oder Klebstoff zum Loslassen zu zwingen. Dies führt dazu, dass die Tiere ihren Mageninhalt erbrechen, was die Infektionsgefahr deutlich erhöht.

Von Walter Willems, AP

Quelle: www.n-tv.de u.a. April 2004

 

 

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